Das Alter des Wiesentaler Handwerkvereins wurde geklärt
1898 erfolgte die Gründung/ Inzwischen drei „Wiederbelebungen“
Waghäusel-Wiesental (ber). Der Handwerk- und Gewerbeverein Wiesental, auf der Suche nach seinem Gründungsdatum, kann im nächsten Jahr ein großes Fest feiern: 2008 wird er 110 Jahre alt. Dies geht aus einem alten Ortsbereisungsprotokoll hervor. Dort ist auch zu lesen, dass Gemeinderat Heinrich Wagenhan der erste Vorsitzende des neuen Vereins war. Im Laufe des langen Vereinslebens kam es zu drei „Wiederbelebungen“.
In einer 24-seitigen Broschüre, die er zum Wiesentaler Frühlingsfest herausbrachte und an alle Haushaltungen verteilte, weist der Handwerk- und Gewerbeverein darauf hin, dass vor 55 Jahren die Wiedergründung des Vereins nach dem Zweiten Weltkrieg im Gasthaus „Löwen“ erfolgte. Der damalige erste Vorsitzende war Küfermeister Edmund Maier. „Wie alt der Verein tatsächlich ist, konnte aus den vorhandenen Unterlagen bisher nicht ermittelt werden“, heißt es dort. Für Hinweise sei der Verein dankbar.
Die bislang offene Frage kann geklärt werden. Im „Tagebuch der Ortsbereisung in Wiesental“ vom 26. September 1901 findet sich ein Hinweis. Dort ist in alter Sütterlin-Schreibschrift folgende Notiz enthalten: „Der vor 3 Jahren gegründete Handwerkerverein, der 30 bis 40 Mitglieder zählt, hat noch kein rechtes Leben gezeigt, obwohl der Vorstand, Maurermeister und Gemeinderat Wagenhan, ganz geeignet scheint. Der Geschäftsneid untereinander sei zu groß, die Teilnahme an Versammlungen gering, sodass es auch noch nicht zu einem Beschluss über die voriges Jahr angeregte Angliederung an den Landesverband der Gewerbevereine gekommen ist.“
Bei dem Vorsitzenden handelt es sich um den zum damaligen Zeitpunkt 40-jährigen Heinrich Wagenhan. 1895 erhielt dieser die Betriebsgenehmigung für die Gastwirtschaft „Zum grünen Baum“ an der Karlsruher Straße. Seit 1888 hatte er seine neu gegründet Baufirma im Haus und auf dem Gelände angesiedelt. Der kirchentreue Wagenhan wurde immer wieder als Bürgermeister gehandelt, doch bewarb er sich nie um diesen Posten.
Wiedergründungen und Neustarts des Handwerk- und Gewerbevereins gab es, jeweils nach vorausgegangenen „Ruhephasen“, 1934, dann 1952 und zuletzt 1984.
(Schmidhuber)
Ein Verein mit Pausen
Das handschriftlich verfasste Protokollbuch ist das älteste Originaldokument, welches heute im Besitz des Handwerk- und Gewerbevereins Wiesental ist.
Die Eintragungen beginnen am 10. Mai. 1952. In einer Mitgliederversammlung Im Gasthaus „Löwen“ wird der Handwerk- und Gewerbeverein „wieder ins Leben gerufen“.
Dies ist bereits die zweite Wiedergründung des Vereins. In den vorausgegangenen Kriegsjahren und den unruhigen Zeiten davor, kam die Vereinstätigkeit gänzlich zum Erliegen. Tatsächlich ist der Verein zu diesem Zeitpunkt bereits 54 Jahre alt.
Das Geburtsjahr war 1898. In einem Tagebucheintrag der Ortsbereisung in Wiesental vom 26. September 1901 wird die Gründung des Handwerkervereins dokumentiert und festgehalten, dass der Maurermeister und Gemeinderat Heinrich Wagenhan der Vorsitzende dieses Vereins war.
Über Pläne und Tätigkeiten der 30 bis 40 Mitglieder starken Vereinigung ist wenig bekannt. Lediglich, dass es zu einer im Jahre 1899 angeregten Angliederung an den Landesverband der Gewerbevereine nicht gekommen ist.
Nach dem ersten Weltkrieg bündelte der Verein die handwerklichen und gewerblichen Kräfte Wiesentals und verhalf somit der Gemeinde wieder zu einer Normalisierung des gemeinschaftlichen Lebens. Dies ist mit ein Verdienst des damaligen Vorsitzenden Nikolaus Rolli.
Aus unbekannten Gründen versiegte die Vereinstätigkeit, die erst 1934 nach einer Neugründung weitergeführt wurde.
Zurück ins Jahr 1952. Bei der Mitgliederversammlung im Löwen wird eine „Verwaltung“ gebildet. 1. Vorstand wird Küfermeister Edmund Maier, sein Vertreter Schlossermeister Georg Gentner. Außerdem werden ein Kassier (Kaufmann Josef Rolli), ein Schriftführer (Kaufmann Max Graf) sowie der Kaufmann Hans Janser als Leiter der Fachschaft Handel und Gewerbe bestimmt. Zum Beisitzer für das Handwerk werden der Schlossermeister Karl Maier und der Mechaniker Bernhard Zimmermann gewählt. Als Beisitzer für Handel und Gewerbe fungieren die Kaufmänner Karl Gartner und Erwin Seiberth.
Auf drei Schreibmaschinenseiten werden die Statuten des Vereins festgeschrieben.
Die fremden Händler
Ein bisschen Protektionismus war in den 50er Jahren durchaus üblich. Fremde Händler, was auch immer sie damals verkauft haben, wollten die Gewerbetreibenden im Ort nicht sehen. Sie versuchten deshalb die Gastwirte Wiesentals davon abzubringen, ihre Räume als kurzfristige Verkaufsstätten zur Verfügung zu stellen. Damals waren es die fremden Händler, heute ist der der Onlinehandel, der den regionalen Geschäften das Leben schwer macht. Ob es damals tatsächlich so bedrohlich war und ob die Gastwirte dem Aufruf gefolgt sind, wer weiß?
Leistungsschau 1952
Das erste große Ziel ist die Organisation einer Leistungsschau, die vom 11. bis 13. Oktober 1952 in der Grundschule durchgeführt werden sollte. Zahlreiche Versammlungen gingen diesem Ereignis voraus. Liest man die Niederschriften durch und vergleicht sie mit den Erfahrungen aus den letzten Gewerbeausstellungen, so könnte man die Jahreszahlen ohne weiteres austauschen. Einteilung der Standflächen, Festlegung der Standgebühren, Einladung der Ehrengäste; Abschluss einer Versicherung gegen Brand und Diebstahl. Neidisch könnte man allerdings auf die damaligen Preise werden. Ein Quadratmeter Ausstellungsfläche kostete 60 Pfennig. Ausserdem wurden ganz im Gegensatz zu den letzten Veranstaltungen 20 Pfennig Eintritt von jedem Besucher verlangt. Die erste Leistungsschau nach dem Krieg zog 2600 Besucher in die ehrwürdigen Hallen des Schulgebäudes. Nach Abzug der Kosten für 200 Reklameplakate, eines Zeitungsinserates und der Vergütung der Helfer, die mit 2,20 DM für die Arbeitsstunde entlohnt wurden, konnte der Verein einen stattlichen Überschuss von 300 DM erwirtschaften, der in die Vereinskasse floss.
Die Probleme und Aufgaben, mit denen sich der Verein dann in den folgenden Jahren bis 1960 auseinandersetzte, unterscheiden sich kaum von den heutigen. Themen wie Bekämpfung der Schwarzarbeit, Lehrlingsausbildung, Förderung des Nachwuchses und Abhaltung von Märkten, wurden mit den Vertretern der Handwerkskammer und den Gemeindeverantwortlichen, sowie dem damaligen Wiesentaler Bürgermeister Roth, erörtert, der auch des Öfteren den Sitzungen beigewohnt hatte.
Ein Problem, das heute keine Rolle mehr spielt, erhitzte die Gemüter der Wiesentaler Geschäftsleute vehement. Sie beschwerten sich im Jahre 1952 in einem Brief an die Oberpostdirektion Karlsruhe:
„Der bisherige Zustand der Zubringung der Post nach Wiesental ist geradezu katastrophal, vollkommen unhaltbar und bedarf einer sofortigen Änderung.“
War die Post in der Vergangenheit durch die in Wiesental haltenden Postzüge aus Mannheim und Karlsruhe angeliefert worden, so wurde damals die Anbindung auf die Straße verlegt und Wiesental von Schwetzingen und Bruchsal her per LKW angefahren. Das führte dazu, dass die Briefe und Pakete teilweise erst am Mittag oder Nachmittag ausgeliefert wurden. So bezog der Verein Stellung für seine Mitglieder:
„… so dass bei diesem Zustand es eine Unmöglichkeit ist, insofern der Empfänger mittelst Eisenbahn verreisen will, keinerlei Möglichkeit hat, seine Post noch einzusehen.“
Eine Antwort der Postdirektion ist in den Aufzeichnungen leider nicht zu finden.
In der Generalversammlung am 15.06.59 wird ein neuer Vorstand gewählt. Fridolin Oechsler löst Edmund Maier als ersten Vorstand ab. In der Versammlung wurde außerdem ein Jahresbeitrag von 4 DM festgelegt und dem Kassier der Auftrag erteilt, diesen „auf einmal“ einzuziehen. Der neue Vorstand regte an, künftig öfters Sitzungen und Versammlungen abzuhalten. Ein Wunsch der sich nicht erfüllen sollte. Am 18. Januar 1960 beginnt Schriftführer Max Graf sein Protokoll über die Versammlung im Reichsadler. Nach dem Titel „Tagesordnung“ bleibt dieses Blatt leer, ebenso wie auch alle darauf folgenden Seiten des Protokollbuches.
Der erste Vorstand Fridolin Öchsler verstirbt 1967.
Wiedergründung im Jahr 1984
Die Vereinstätigkeit ruht bis 1984, als Malermeister Helmut Bub, Zimmermeister Anton Machauer, Elektromeister Kurt Sälzler und Fotographenmeister Werner Ditton, in einer „1. Sitzung der Wiedergründer des Handwerk- und Gewerbevereins“ beschließen, das Interesse der örtlichen Selbstständigen zu erkunden und zu einer Sitzung einzuladen.
In der Gründungsversammlung am 12.06.1984 wird dann beschlossen, eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Der Vorstand gebildet von Helmut Bub (1. Vorsitzender), Anton Machauer, Rudolf Heller, Alfons Schuhmacher, Manfred Notheis, Carola Gutting, Werner und Michael Ditton trifft sich zu einer ersten Sitzung am 16.07.84 und bestimmt die erste Mitgliederversammlung auf den 17.09.1984 im Wiesentaler Schützenhaus. Wieder ist die Ausrichtung einer Gewerbeausstellung das dringendste Ziel des Handwerk- und Gewerbevereins, die mit viel Akribie vorbereitet wird. Ausstellungsort für die erste Gewerbeausstellung des neuen Vereins ist die Wagbachhalle.
33 Betriebe stellen am 16. und 17. März 1985 aus und ziehen mehr als 13.000 Besucher an. Bis zum Jahr 2003 werden zunächst im Abstand von zwei, später dann von drei Jahren Gewerbeausstellungen in Wiesental präsentiert. Aufgrund der rückläufigen Besucherzahlen in jüngerer Vergangenheit wurde auf weitere Ausstellungen in diesem Stil verzichtet.
https://www.hgv-wiesental.de/wp-content/uploads/2020/03/1984-Protokolle-zur-Wiedergründung-1984.pdf
Eine neue Art der Präsentation findet großen Anklang bei der Bevölkerung. Das Frühlings- und das Herbstfest. Jeweils verbunden mit einem verkaufsoffenen Sonntag öffnen die Wiesentaler Geschäfte zu diesen Festen und verbinden dies mit allerlei Darbietungen und Aktionen.
Spektakulär war die Fahrt von Mister Black beim Frühlingsfest 2004, als dieser mit verbundenen Augen durch die Straßen Wiesentals fuhr, allein durch sein Medium Bürgermeister Walter Heiler gelenkt, der eine Glaskugel in Händen hielt, jedoch ganz entgegen seinem Naturell nichts sagen durfte.
Es bleibt zu hoffen, dass die Vereinstätigkeit jetzt ohne weitere Pausen ihre Früchte trägt. (pb)